Graduate Seminar in Theatre Studies at Keio University

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Zoom Lectures

 

Under the JSPS Project "Junctures of Theatrocracy and Democracy: Interdisciplinary Research on Theatricality and Political”, we would like to invite Prof. Friedrich Balke and Prof. Jörn Etzold from Ruhr-Universität Bochum for lectures on literature and theatre which will let us tackle with the question on how we make a judgement on complicating and sensitive political issues.
Prof. Balke will deal with the language aspects of hate speech by referring to Karl Kraus’s enormous drama Die letzten Tage der Menschheit (1926) whose radicalized use of literal expressions let us rethink how hate speech languages function.
Prof. Etzold will discuss Das Kongo Tribunal, a documentary play by Swiss playwright and director Milo Rau, questioning how we could make a justified judgement on politically sensitive issues although we are aware that any judgment on one problem has a potential risk to cause another.
Below you will find titles of the lectures and summary descriptions as well as information about the event. If you would like to attend, please email us to the address below. We will provide you with zoom access information.


Prof. Dr. Friedrich Balke (Ruhr-Universität Bochum)
Kleine Verteidigung der Hassrede. Karl Kraus und die Ambiguität des Urteilens
„Theatergänger dieser Welt“, hat Karl Kraus von seinem 800 Seiten langen Drama Die letzten Tage der Menschheit (1926) gesagt, „vermöchten ihm nicht standzuhalten.“ Für wen ist ein derartiges unaufführbares Stück dann gedacht? Und wer vermag Kraus überhaupt standzuhalten, ist doch sein Schreiben und öffentliches Vorlesen insgesamt durch die Aneignung einer maßlosen Gerichtsmacht gekennzeichnet, die auf sofortige Vollstreckung ihrer Urteile drängt? Elias Canetti hat von der Urteilssucht Karl Kraus’ gesprochen und, ähnlich wie Walter Benjamin, auf die Praxis des entlarvenden Zitierens verwiesen, die dieser Urteilssucht zugrunde liegt. Ausgehend von den aktuellen Debatten zur sozialmedialen Eskalation von hate speech fragt der Vortrag vor dem Hintergrund der Kraus’schen Aneignung der Urteilsmacht nach den kritischen Funktionen einer literarischen Rede, die die „polemischen Möglichkeiten bis auf den Grund ausschöpft“ (Benjamin), indem sie zitiert, um zu vernichten.
 
Prof. Dr. Jörn Etzold (Ruhr-Universität Bochum)
Recht und Gerechtigkeit in Milo Raus Kongo Tribunal
In neueren Formen des dokumentarischen Theaters finden sich vielfach Figuren, die etwas bezeugen, was sie selbst erlebt, gesehen oder erfahren haben. In besonderer Weise gilt das für die Tribunale vor Jurys ohne rechtssprechende Kraft, die der Schweizer Regisseur Milo Rau in den Jahren 2008-2015 eingerichtet hat. Vor allem das Kongo Tribunal von 2015, das sich in Bukavu und Berlin den planetarischen Verstrickungen und den lokalen Auswirkungen des Rohstoffabbaus im Kongo widmete, stellt die Betrachtenden aus Europa, aber auch aus Japan, vor schwierige Fragen: Errichtet Rau hier eine Bühne der epistemischen Gewalt (G. C. Spivak), auf der ohnehin nur auftreten kann, wer die Sprache der alten und neuen Herren gelernt hat? Ist sein Projekt somit mit einem Recht im Bunde, dessen grundlegende Funktion eben in der Codierung sämtlicher Güter als Eigentum besteht (Katharina Pistor) und das die Ausplünderung des Kongo somit erst ermöglicht? Oder eröffnet er eine Bühne der Aushandlung, in der kein rechtswirksames Urteil gefällt, aber über Gerechtigkeit gesprochen werden kann? Dieser schwierige Begriff soll mit Werner Hamacher und seiner Lektüre von Texten des jungen Walter Benjamin betrachtet werden: Hamacher stellt in seinem letzten postumen Buch die Sprachgerechtigkeit der urteilenden Sprache ebenso wie der Idee von Rechten als Eigentumsrechten gegenüber.

 

Date: December 14th 2021, 19:00-21:00 JST (12:00-14:00 GMT)
The lectures are hold in German.
Host: JSPS Project " Junctures of Theatrocracy and Democracy: Interdisciplinary Research on Theatricality und Political” at Keio University
Contact: Prof. Dr. Eiichiro Hirata, hirata(at)keio.ac.jp